
Sao Tome Aufstieg und Fall der Plantagen – Roças
Die Plantagen in São Tomé und Príncipe
Das Roça-System veranschaulicht, wie Monokultur und zentralisierte Ausbeutung kurzfristig enormen Reichtum generieren können – langfristig jedoch ökologische Zerstörung, soziale Ungleichheit und extreme Abhängigkeit hinterlassen. São Tomé und Príncipe steht nun vor der Herausforderung, dieses schwierige Erbe nicht zu wiederholen, sondern die Roça als kulturelles Gedächtnis und Ressource für eine gerechtere Zukunft zu nutzen.
Die Zyklen der Monokultur
Die Agrargeschichte von São Tomé und Príncipe ist eine Abfolge von Monokulturzyklen, die jeweils auf globaler Nachfrage und kolonialer Ausbeutung beruhen:
Zuckerrohr (16.–17. Jahrhundert): Nur wenige Jahrzehnte nach der Besiedlung ab 1470 entwickelte sich São Tomé zum größten Zuckerexporteur Afrikas. Große Flächen Primärwald im Norden der Hauptinsel wurden gerodet, und das Klima veränderte sich nachweislich.
Kaffee und insbesondere Kakao (seit dem späten 18./Mitte des 19. Jahrhunderts): Nach dem Rückgang des Zuckeranbaus führte die Einführung von Kaffee (aus Brasilien im Jahr 1789) und insbesondere von Kakao (verstärkt ab 1855) zu einem neuen Produktionshöhepunkt. 1913 wurde São Tomé und Príncipe zum weltweit größten Kakaoproduzenten. Noch 1997 machten Kakaobohnen 90 % der Exporterlöse aus. Die Kakaoplantagen (Roças) schossen wie Pilze aus dem Boden, große Anbauflächen erstreckten sich über Tausende von Hektar und beschäftigten Hunderte bis Tausende von Arbeitern.
Die Monokultur war die einzige relevante Quelle externer Einnahmen – und machte das Land extrem abhängig von den Weltmarktpreisen.
Das Latifundium als Gesamtsystem von Macht und Arbeit
Die Roças umfassten zeitweise über 90 % der nutzbaren Fläche des Archipels. Sie waren hochgradig zentralisiert und verfügten über eine eigene Infrastruktur: Trocknungsanlagen, Lagerhäuser, Krankenhäuser, Schulen (für die Kinder der Verwalter), sogar eine eigene Währung und eigene Gefängnisse. Die größten Roças (z. B. Agostinho Neto, Água Izé, Rio do Ouro) waren praktisch unabhängig von der Kolonialverwaltung.
Die wirtschaftliche Effizienz basierte auf billiger, teils sogar versklavter Arbeitskraft. Da die einheimischen Forros (Nachkommen freigelassener Kreolen) die Plantagenarbeit ablehnten, wurden Zehntausende Vertragsarbeiter (Serviçais) aus Angola, Mosambik und Kap Verde unter oft sklavenähnlichen Bedingungen angeworben. Dieses System schuf eine tiefe soziale Kluft zwischen Forros und Serviçais, deren Auswirkungen bis heute spürbar sind.
Die Roças waren gleichzeitig Orte intensiver kultureller Vermischung (miscigenação racial) – Arbeiter aus ganz Lusophonen Afrikas lebten und arbeiteten zusammen und prägten die heutige santomenische Identität.
Das abrupte Ende
Mit der Unabhängigkeit 1975 wurde das Roça-System radikal beendet. Am 30. September 1975 verstaatlichte die neue Regierung 23 der größten Roças und wandelte sie in staatliche Agrarunternehmen (Unidades Empresariais Agrícolas, UEA) um. Das Ziel – die Rückgabe des Landes an die Bevölkerung – führte paradoxerweise zum Zusammenbruch der Produktion. Innerhalb weniger Jahre brachen die Kakaoexporte ein, da das hochgradig zentralisierte System, das auf Zwang und kolonialem Know-how basierte, ohne Kakao nicht funktionieren konnte
Erst die Agrarreformen der 1990er-Jahre und die Rückgabe von Land an Kleinbauern und Familienbetriebe ermöglichten eine langsame Erholung. Seit den 2000er-Jahren erlebt der Kakaosektor dank Bio- und Fairtrade-Zertifizierungen (z. B. Kaoka, Claudio Corallo) eine Renaissance – wenn auch in deutlich geringerem Umfang.
Die Plantagen (Roça) heute – zwischen Ruin und Hoffnung
Viele der einst prächtigen Herrenhäuser, Arbeiterbaracken und Trockenschuppen verfallen. Gleichzeitig werden ehemalige Roças wie Roca Sundy, Roca Belo Monte und Roca São João in Boutique-Hotels und Öko-Lodges umgewandelt. Die Gefahr eines neuen "Roça-Tourismus" wird offen diskutiert: ein Modell, das wiederum ausländische Investoren begünstigen und die lokale Bevölkerung an den Rand drängen könnte.
Die nachhaltigere Vision sieht die Roças als Anker eines neuen, verantwortungsvollen Wirtschaftsmodells: hochwertiger Bio-Kakao, Agroforstwirtschaft, gemeinschaftlicher Tourismus und kulturelles Erbe. Die Roça soll nicht länger ein Symbol kolonialer Ausbeutung sein, sondern vielmehr Ausgangspunkt einer Entwicklung, von der die Bevölkerung von Santomia selbst profitiert.

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Die Roças in São Tomé und Príncipe – Vom Zentrum der weltweiten Kakaoproduktion zu einer verlassenen Ruine
Die Roças sind die sichtbarste Erinnerung an São Tomés Kolonialgeschichte: Orte, an denen unglaublicher Reichtum geschaffen und innerhalb weniger Jahrzehnte genauso schnell wieder zerstört wurde.
Wer heute durch die Regenwälder von São Tomé wandert, stößt unweigerlich auf sie: gewaltige, verwitterte Villen aus roten Ziegeln, rostige Trockenschuppen, verfallene Krankenhäuser und endlose Reihen kleiner Arbeiterbaracken, überwuchert von Ranken und Würgefeigen. Dies sind die Roças – einst die größten und modernsten Kakaoplantagen der Welt, "Staaten im Staate", Symbole kolonialen Reichtums. Heute sind viele von ihnen Geisterstädte aus einer längst vergangenen Zeit.
Der Aufstieg: Die Schokoladeninseln
Als 1822 die ersten Kakaopflanzen aus Brasilien auf São Tomé eintrafen, zunächst nur als Zierpflanzen, ahnte niemand, welche ungeheure Entwicklung sie auslösen würden. Das heiße, feuchte Klima erwies sich als ideal. Ab den 1850er Jahren erlebte der Anbau einen regelrechten Boom. 1913 war São Tomé und Príncipe mit 36.500 bis 55.000 Tonnen pro Jahr der weltweit größte Kakaoproduzent – mehr als ein Drittel des gesamten Weltmarktes stammte von diesen beiden kleinen Inseln. Die Roças (Kakaoplantagen) bedeckten über 90 % der Ackerfläche.
Große Plantagen wie Água Izé, Rio do Ouro (heute Agostinho Neto), Sundy oder Monte Café waren keine einfachen Bauernhöfe. Sie waren autarke Miniaturstädte: mit eigenen Krankenhäusern (das in Água Izé galt als eines der modernsten Afrikas), Eisenbahnnetzen, Schulen für die Kinder der Betriebsleiter, Trocknungsanlagen, Lagerhäusern und mitunter sogar einer eigenen Währung. Der zentrale Platz, der Terreiro, war das Herzstück des Betriebs – hier wurden die Bohnen in der Sonne getrocknet, die Löhne ausgezahlt und Feste gefeiert.
Der Preis: Zwangsarbeit und Menschenhandel
Dieser Reichtum hatte seinen Preis. Die einheimischen Forró lehnten die Plantagenarbeit ab – sie wussten, dass sie mit Sklaverei verbunden war. Daher importierte Portugal Zehntausende von Vertragsarbeitern (Serviçais) aus Angola, Mosambik und Kap Verde. In Wirklichkeit war dieses System kaum von Sklaverei zu unterscheiden: Verträge wurden Analphabeten in einer Fremdsprache vorgelesen, eine Rückkehr in die Heimat war praktisch unmöglich, und die Flucht lebensgefährlich. Die Arbeiter lebten in winzigen Sanzalas, oft nur 14 Quadratmeter pro Familie, und standen unter ständiger Bewachung.
Der Skandal erlangte 1909 internationale Bekanntheit, als William Cadbury und andere britische Schokoladenhersteller Kakao aus São Tomé boykottierten. Portugal errichtete daraufhin prächtige Krankenhäuser – vorwiegend für ausländische Besucher – und behauptete, alles sei in bester Ordnung.
Der plötzliche Fall: Unabhängigkeit und Verstaatlichung
Am 12. Juli 1975 erlangte São Tomé und Príncipe seine Unabhängigkeit . Eine der ersten Amtshandlungen der neuen Regierung war die Verstaatlichung von 23 der größten Roças (Gehöfte) am 30. September 1975, die dadurch in staatliche Betriebe umgewandelt wurden. Das Ziel war edel – das Land sollte endlich dem Volk von São Tomé und Príncipe gehören.
Die Folgen waren katastrophal. Die portugiesischen Eigentümer und Managementexperten flohen über Nacht, ebenso wie rund 15.000 kapverdische Fachkräfte. Das hochkomplexe, auf Zwang und kolonialem Know-how basierende System brach zusammen. Die Produktion brach ein.
1974: immer noch 10.400 Tonnen Kakao
1975: nur 12 Tonnen
1988: nur 3 Tonnen
Die Roças verfielen. Ohne Instandhaltung überwucherte der Regenwald innerhalb weniger Monate die Hallen und Villen. Krankenhäuser wie das in Porto Real wurden "vom Wald verschlungen".
Die Gegenwart: Ruinen, Tourismus und ein Funken Hoffnung
Heute leben die Nachkommen der ehemaligen Vertragsarbeiter oft in den alten Verwaltungsgebäuden – unter sehr einfachen Bedingungen. Die einst stolze Architektur zerfällt. Doch es gibt auch Hoffnungsschimmer:
Roça Sundy (wo 1919 Einsteins Relativitätstheorie durch eine Sonnenfinsternis bestätigt wurde) ist heute ein luxuriöses, CO₂-neutrales Hotel mit eigener Schokoladenfabrik.
Roça Belo Monte, Roça São João und andere werden zu Boutique-Hotels umgebaut.
Kleine Bio-Kakaoprojekte (Claudio Corallo, Kaoka, Cecab) produzieren hochpreisigen Gourmet-Kakao – in Agroforstsystemen statt in Monokulturen.
Auf Príncipe wird mit südafrikanischem und internationalem Kapital ein Modell für nachhaltigen Ökotourismus entwickelt, in dessen Zentrum die Roças stehen.